Der Staat und der Osten – Alternativen zu Hass und Neid

Freiheit und Staat – ein Rückblick

Der Aufbruch des Ostens wurde schnell zu einer Wiedervereinigung. Nach Nationalsozialismus und Sozialismus wurde noch einmal die Karte des Nationalismus gespielt und brachte Milliardenströme aus dem Westen in den Osten, begleitet von wechselseitigen Wanderungsbewegungen: Fachkräfte wanderten oder pendelten in den Westen, Eliten wanderten zur Unterstützung des Aufbaus von Verwaltung und Gerichten in den Osten. Die Einheit kommt beiden Seiten unterschiedlich aber teuer zu stehen: Der Westen musste von seinem Reichtum abgegeben, der Osten verlor seine Identität und viele Ostdeutsche erlebten die Entwertung ihrer Lebensentwürfe und Leistungen. Das schuf kulturelle Distanz mit beidseitigem Frust und Unverständnis mit entsprechenden Missverständnissen. Die hehren Ziele von Freiheit und Demokratie trugen nur die Aktivisten der friedlichen Revolution. Abgesehen von einem auch nicht kleinen Teil der Ostdeutschen, die weder die Wende noch den Anschluss wollten, trieb die Masse doch eher profane Gründe in die Wiedervereinigung: statt in den Westen mit seinem hohen Lebensstandard auszuwandern, sollte der nun diesen Standard in den Osten tragen. Nationale Werte standen bei vielen über freiheitlich-demokratischen, was auch kein Wunder war: Wann hatten Ostdeutsche tatsächlich mit einer demokratischen Gesellschaft Bekanntschaft gemacht? „Es war doch nicht alles schlecht“ wiederholte sich – nun mit Blick auf die DDR. Demokratie und vor allem Freiheit waren für nicht wenige einfach eine Überforderung, Enttäuschung war vorprogrammiert. National- und rechts-populistische Strömungen bringen nur an die Oberfläche, was latent immer schon an Einstellungen vorhanden war. Zum Rückblick gehört diese Ehrlichkeit. Denn nur so wird verständlich, warum der Osten sich so verhält, wie er es tut, warum im Osten national-populistische bis hin zu rechtsradikalen Ideen und Strömungen mehr Resonanz finden, als im Westen.

Ein Wort noch zu den politische Eliten im Osten. Die haben zwei Probleme und bieten so auch Angriffsflächen: Zum einen finden wir immer noch „Westimporte“ – aber eigentlich nur, wenn wir völkisch denken. Zum anderen aber haben sich diese Eliten im Osten nach einem Bruch mit alten politischen Eliten gebildet. Während die Parteien, die nach der Wende Regierungsverantwortung übernahmen, notgedrungen oder aus Überlegung auch auf SED-Kader zurückgriffen, taten das andere nicht. Bei schmaler Basis setzte sich nicht selten Mittelmaß an die Spitze und biss nicht selten auch zu kluge aber weniger angepasste Leute weg. Das ist auch ein Phänomen der AfD, um es gleich deutlich zu sagen. Es ist aber ein grundsätzliches Problem von Politik: Um etwas umzusetzen (Sachpolitik) muss man erstmal Wahlen gewinnen (Machtpolitik). Wer der Masse der Wähler am besten nach dem Munde redet, hat die größten Chancen, an die Macht zu kommen. Sind die Wähler wie im Osten stark auf den Staat fixiert, an den man einfach seine Forderungen stellen kann – und der dann auch für alles Verantwortung trägt, was nicht geht oder nicht gelingt, dann ist es gefährlich, ihnen z. B. zuzumuten, aus ökologischen Gründen für manche Lebensmittel mehr zu bezahlen oder schnell aus der Braunkohle auszusteigen. So etwas, was im Interesse aller und vor allem unserer Kinder und Kindeskinder wäre, braucht einen Konsens unter allen Parteien – und dieser braucht einen Dialog unter den Parteien, der sachpolitisch ist und nicht machtpolitisch-kindisch. Es braucht mehr inhaltliche Zusammenarbeit der Parteien statt des nervenden Gezänks – und zwar nicht erst, wenn es um die Bildung einer Regierungskoalition geht.

Auf der anderen Seite sollte dem Leser, der es bis hierher geschafft hat (eine Zumutung – ich weiß) auch klar sein, welches Wählerpotential eine Partei erschließen kann, die genau auf diese ostdeutschen Staatsvorstellungen aufbaut – solange sie dann nicht das alles umsetzen muss, was sie (teilweise völlig ungedeckt, teilweise widersprüchlich) versprochen hat. Allein schon, dass sie manche Probleme einfach anspricht, die viele haben, öffnet Ventile. Freilich liegt das Problem nicht nur bei solchen Parteien, die natürlich die Verantwortung für den Neid, die Wut und den Hass übernehmen müssen, die sie säen, sondern an Wählern, die darauf anspringen. Und natürlich liegt die Verantwortung an den etablierten Parteien, die es eben in 30 Jahren nicht geschafft haben, die Bürger auch in die Verantwortung zu nehmen, die selbst immer wieder auf den Staat gesetzt haben, sich als „Kümmerer“ angeboten haben, Probleme verschwiegen haben und sich zuviel nur mit sich und dem Machterhalt oder Machtgewinn beschäftigt haben.


Kurzbilanz – wie schlecht geht es dem Osten?

30 Jahre nach dem Auf- und Umbruch im Osten ist eine knappe und nüchterne Bilanz der sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politisch-rechtlichen Entwicklung sowie im Verhältnis zur natürlichen Umwelt angezeigt.

Politisch-rechtlich ist die Einheit von Ost und West lange vollzogen, die Parlamente und Regierungen arbeiten, Bundesrecht gilt und das Landesrecht weißt keine Lücken auf. Auffällig ist jedoch, dass die personelle Untersetzung von Administration und Jurisprudenz noch sehr westlich ist, gerade auch in den Leitungsfunktionen.

Wirtschaftlich ist der Osten gewachsen – gemessen an den ehemaligen „Bruderländern“ weit überdurchschnittlich, gemessen am Standard Westdeutschlands noch nicht am Ziel. Es gibt im Osten auch hochentwickelte Ballungsräume, jedoch überdurchschnittlich viele Regionen, die unterdurchschnittlich entwickelt sind. Auch die Struktur der Unternehmen unterscheidet sich noch stark von der im Westen. Es gibt auch im Osten ein Nord-Süd-Gefälle, es gibt noch viele Niederlassungen mit Stammsitz und Entwicklungsabteilung im Westen.

Sozial verläuft nach wie vor eine Grenze zwischen Ost und West. Noch gibt es ein Gefälle bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen. Noch sind die Lebensbedingungen für viele soziale Gruppen und Schichten nicht gleichwertig.

Kulturell sind die Unterschiede zwischen Ost und West historisch bedingt nach wie vor groß, wirken die Jahrzehnte getrennter Entwicklung nach. Gemeint sind nicht die lokalen kulturellen Identitäten, die in Ost und West differenziert ausgeprägt sind und gerade im Osten in ihrer Vielfalt in den letzten 30 Jahren wieder gewachsen sind. Der Unterschied besteht zum einen im demokratischen Handeln und Erleben: Freiheitlich-demokratische Werte sind im Osten bei verschiedenen Gruppen und Schichten deutlich weniger verankert, als im Westen. Zum anderen aber brachte der Osten eine Kultur des Gemeinsinns und der Solidarität mit, die auf eher individualistisch-egoistische Lebensstile im Westen traf und sich nur schwer mit diesen vermittelte.

Ökologisch hat sich viel getan. Es ist heute häufig vergessen, dass der Umweltschutz ein zentrales Thema vieler Oppositioneller war. Der Himmel über Ostdeutschland ist wieder blau und das Gras grün. Wenn Ältere über die massiven Probleme von Industrie-Müll, vergifteten Flüssen und verschmutzter Luft erzählen, kann man erahnen, welche riesige Leistung in Ostdeutschland erbracht wurde, und dass obwohl in vielen Regionen eine Reindustrialisierung geglückt ist. Braunkohle und zunehmend die Landwirtschaft stellen die aktuellen Herausforderungen dar.

Alternativen in der politischen Kultur

Zusammenarbeit der Parteien statt kindisches Gezänk

Damit wäre auch schon eine Alternative aufgezeigt, die nicht auf Hass oder Neid baut: Zusammenarbeit der demokratischen Parteien (zu denen jede zählt und es in der Hand hat, wenn sie auf dem Boden des Grundgesetzes agiert, zuerst und vor allem auf dem Grundsatz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist). Der Wettbewerb soll um die besten Konzepte und auch besten Menschen, die diese umsetzen wollen, stattfinden. Da gibt es genug, was zu verhandeln wäre. Und schließlich unterscheiden sich die Parteien dann auch noch genug, wenn es um die Abwägung verschiedener Faktoren bei den verschiedenen Problemlöse-Ansätzen kommt: Da stehen manchmal Freizügigkeit gegen Gerechtigkeit, Ökonomisches gegen Soziales oder Ökologisches.

Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative ernst nehmen - entweder Mitglied der Regierung oder Mitglied des Landtages

Wir haben die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive verwischt. Die Regierung und damit eigentlich die Verwaltung, die doch Diener des Gesetzgebers sein soll und Ausführende seines Willens, bringt selbst die Mehrzahl der Gesetze auf den Weg. Natürlich hat die Regierung immer zunächst den Blick der Verwaltung, weniger den der Gestaltung – zumal wenn der mit Änderungen in der Verwaltung verbunden ist. Zwar nimmt die Regierungskoalition Einfluss auf diese Entwürfe, macht der Regierung sogar Vorgaben, aber ändert nichts am Grundproblem: Der Gesetzgeber ist mit Entwürfen konfrontiert, die ihn als Verwaltungslaien oft überfordern. Wir haben es bei der CDU oft erlebt, dass sie sich auf die Regierungsentwürfe verlassen hat – und dann manchmal verlassen war: Sie hat also im Parlament ein Gesetz so geändert, wie es das Ministerium wollte – mit Folgen, die sie selbst gar nicht wollte – und muss sich dann auf öffentlichen Podien vom Ministerium vorführen lassen: Da könne man nichts dafür, man setze ja nur um, was der Gesetzgeber so vorgegeben habe. Ich kann mich an solche Situationen im Zusammenhang mit Schulschließungen und Haushaltsentscheidungen im Kultusbereich erinnern, bei denen dem damaligen schulpolitischen Sprecher Colditz der Kragen platzte. 

Auch die Vermischung der Ämter tut der Demokratie nicht gut: Wenn Spitzenpolitiker nicht nur Minister sondern auch Mitglied des Landtages sind, dann ist die Gewaltenteilung, die tatsächlich wichtig ist, damit ein Land nicht nur verwaltet, sondern gestaltet wird, verletzt.

Politik als Beruf kann zum Problem werden - Fachleute als Minister

Berufspolitiker leben in einer besonderen Abhängigkeit, denn sie müssen wieder gewählt werden – sowohl innerhalb ihrer Partei als auch mit dieser Partei wieder an die Macht. Damit können sie in Gewissenskonflikte geraten, wenn es um Einstellung versus Arbeitsplatz geht.

Zunehmend gibt es nun auch im Osten Politiker die schon in jungen Jahren diese Karriere eingeschlagen haben und damit kaum andere gesellschaftliche Bereiche wirklich kennen bzw. erfahren haben. Sie kreisen zu sehr in ihren eigenen engen Kreisen und machen sich abhängig von Beratern.

Kann ein Berufspolitiker wirklich einfach jedes beliebige Ministerium übernehmen? Macht ihn fehlende Sachkompetenz als Minister vielleicht (zu) abhängig vom eigenen Haus? Fehlt es dann an inhaltlichen Impulsen in das Ministerium, um alte Gleise zu verlassen oder neue systemische Lösungen zu finden, wenn sich die Welt zu sehr geändert hat?

Sachkompetenz und Macht - Halbtagsparlament mit wissenschaftlichem Apparat

Das Problem jedes Parlaments seit Plato: Zusammenführung von frei gewählten Abgeordneten mit der nötigen Sachkompetenz für kluge Gesetze. Oder anders: Wie können die politischen Entscheidungen so vorbereitet werden, dass zum einen tatsächlich auf den durch die Sache vorgegebenen Entscheidungsraum zurückgegriffen wird – und wie kann zugleich gesichert werden, dass Neues eine Chance hat, dass der Entscheidungsraum sich nicht an traditionellen Lösungen sondern immer auch neuen Perspektiven orientiert? Das wird in einer zunehmend dynamischen und universell vernetzten Welt immer wichtiger. Entscheidungsräume und damit Alternativen, die politische entschieden werden können, sind meist viel vielfältiger, als angenommen. Beispiel Schule (da habe ich genug Erfahrungen): Kaum eine Partei denkt ernsthaft über wirkliche Systemwechsel nach, wie hier beschrieben. Kaum eine sucht die wirklichen Probleme hinter den sichtbaren Gebrechen. Ministerien bleiben als Verwaltung oft in den alten Mustern, auch wenn die immer dysfunktionaler werden.

Die Lösung könnte ein Halbtagsparlament sein, dem ein unabhängiger wissenschaftlicher und juristischer Dienst zur Seite steht, ergänzt durch je eigene politische Beraterdienste der Fraktionen oder MdL. So könnte auch eine bessere Schnittstelle zur wissenschaftlichen Forschung geschaffen werden, die nicht nur auf Gutachten und Enquete-Kommissionen beruht. Ziel dieser Dienste ist die politisch unabhängig Beratung in der Sache unter Aufzeigen der aktuell wissenschaftliche gesehenen Lösungen mit ihren abschätzbaren Folgen sowie der Möglichkeiten, diese juristisch bzw. verwaltungstechnisch umzusetzen. Den politischen Beratern der Fraktionen fiele dann die Aufgabe zu, diese Vorschläge im Sinne der jeweiligen parteipolitischen Grundsätze und Ziele zu bewerten und für die Abgeordneten aufzubereiten.

Damit wäre es möglich, zum einen Wissenschaft und Sachkompetenz in die Politik einzubinden ohne dadurch politische Entscheidungen zu manipulieren – zum anderen politische Entscheidungen fachlich fundierter auf das zu konzentrieren, was tatsächlich politisch entschieden werden kann.

Ein Halbtagsparlament hat den Vorteil, dass niemand wegen der Übernahme politischer Verantwortung ganz aus seinem Beruf oder Unternehmen aussteigen muss. Das hat einen doppelten Nutzen: Zum einen kann er damit auch einfacher wieder aus der Politik aussteigen; zum anderen bleibt auch während der politischen Tätigkeit die Verbindung zur Praxis besser erhalten, kann sich der Abgeordnete nicht nur in seinen parteipolitischen Kreisen bewegen.

Ein Wort zum Nationalismus, der von einigen wieder gepflegt wird

Was ist eigentlich „deutsch“ und wer ist „Deutscher“? Diese Frage stellen sich Leute, die gern im Trumpschen Denken „Deutschland zuerst“ zu ihrer politischen Leitschnur machen wollen und damit im Trüben fischen, meist nicht.  Jedenfalls ist das meine Hoffnung, wenn ich mir deren Programm zumute – denn ansonsten würde es gefährlich. Wenn man anfängt, irgendwelche Tugenden national zu vereinnahmen, dann wird es völkisch und rassistisch, dann spricht man Menschen von ihrer Geburt her bestimmte Eigenschaften zu oder ab. Welch Unfug das ist, hat nicht nur die Entzifferung des menschlichen Genoms gezeigt:  In mehr als 99,9 % stimmen die Menschen überein. Oder man meint den Nationalismus kulturell, dass also die Deutschen besondere Tugenden durch ihre Lebensweise entwickeln. Das aber betrifft ja dann doch alle, die so leben, also unabhängig sogar von der Staatsbürgerschaft – und es ließe sich auch einfach auf andere „Völker“ oder Staaten übertragen. 

So oder so ist es aber nichts, auf das man als einzelner einfach so stolz sein könnte – denn es beruht nicht auf eigener Leistung. Nietzsche kann es in seiner bekannten Pointiertheit (von manchen auch Bosheit genannt) nicht besser ausdrücken, gerade Nietzsche, der von den Nazis ideologisch so  missbraucht wurde. Aber es ist eben eine einfache politische Karte, der Nationalismus: Man kann schnell eine Identität herstellen, die man dann nach Belieben ausfüllen kann, Man kann so schnell jedem Selbstwert geben, auch wenn er privat ein völliger Versager ist. Aber das ist bös, weil es völlige Versager gar nicht gibt. Nur gibt es sehr viele Menschen, auch in Deutschland, die psychisch angeschlagen sind – zu einem Gutteil, weil sie als Kinder Gewalt (auch nur verbale) oder fehlende Fürsorge oder auch Missbrauch (emotional bis psychisch) erlebt haben, weil ihr Selbst sich nicht optimal entwickeln konnte; zum anderen, weil sie unverschuldet in Lebenslagen gekommen sind, und nötige äußere Hilfe nicht erhalten oder annehmen. Und weil diese Gruppe von Menschen so groß ist (auch weil wir in der Schule nicht lernen, wie wir mit uns selbst umgehen müssen/können – die Schule dies zum Teil ja selbst grundlegend falsch vorlebt statt zu helfen), lohnt es natürlich, sie hier emotional abzuholen.

Aber was ist der Preis, wenn man diese Gruppe „national“ anspricht. Man hilft ihr nicht wirklich, denn der Herdentrieb ist kein Selbstbewusstsein. Man löst ihre Probleme nicht, sondern verschäft sie noch: Man schürt Hass und Neid auf andere, die zum Sündenbock gemacht werden für die eigene Misere. Dabei hat noch kein ausländischer Arzt einem deutschen Arbeitslosen den Job weggenommen – und auch keine südosteuropäische Pflegekraft. Die eine Arbeit verlangt eine Qualifikation, die nicht da ist; die andere ist nicht attraktiv. Aber der so gewendete und verwendete Nationalismus gibt dem „Versager“ endlich einen Grund in die Hand, den er nicht bei sich suchen muss, sondern den er – auch seine angestaute Aggression rauslassend – nun guten Gewissens entäußern kann. Zuerst in der Sprache und dann auch in Taten – ist die Grenze der Achtung der Menschenwürde erst einmal überschritten, gibt es in der Herde kein Halten mehr. So funktionieren Herden und so funktioniert Macht, die auf Masse basiert.

Und diese Wirkung ist noch nicht einmal nur bei den „Versagern“ da, sondern noch viel mehr in der ungleich größeren Gruppe, die Angst hat, abzusteigen, in die Versager-Rolle zu kommen – und da ist das aktuelle Lebensniveau ganz nebensächlich. Wohlsituierte Bürger mit gutem Einkommen sind so ansprechbar.

Es ist und bleibt ein Spiel mit dem Feuer – das zeigen alle nationalistischen Bewegungen bis hin zu Trumps Amerika, welches mit seinem Egoismus nicht nur in der Vergangenheit schon genug schmutzige Kriege angezettelt hat, sondern das auch jetzt wieder auf dem Weg ist, die Welt in Krisen oder sogar einen Weltkrieg zu stürzen. Und dabei beruht das National-Prinzip in den USA nicht auf biologischer Grundlage, sondern zeigt, dass auch ein Territorialstaat (wie es Nationalstaaten in Wirklichkeit in den allermeisten Fällen sind) dieses Potential hat, wenn er sich egoistisch auf die eigene Bevölkerung bezieht, deren Probleme nach draußen trägt und Schurken in der Welt sucht, die dafür verantwortlich sind.

Ein paar Wort noch zu den Flüchtlingen und der künstlich angeheizten Flüchtlingskrise: Eine Krise gab es nie und das reiche Deutschland stand nie in Gefahr, irgendwelchen Schaden aus der humanitären Aufnahme von Flüchtlingen zu nehmen. Es ist Frau Merkel moralisch hoch anzurechnen, dass sie sich nie auf eine Politik eingelassen hat, die Flüchtlinge 1. und 2. Klasse schafft – nämlich denen, die unterhalb einer festgelegten Grenze liegen und denen darüber, für die dann das Asylrecht und Menschenrecht nicht gilt. Freilich hätte man die Aufnahme der Flüchtlinge technisch ganz anders lösen können – wenn man nur auch ein wenig Weitblick gehabt hätte, denn die Ströme bahnten sich ja an. Schließlich haben wir ja auch wenig getan, um sie nicht zu befeuern: Wir sind längst eine Welt. 

Was aber macht die Alternative für Deutschland aus dieser Situation? Im Programm bleibt sie der Saubermann, der das Grundgesetz und das Asylrecht ohne Bedingung akzeptiert. Man will schnellere Asylverfahren und ggf. schnellere Abschiebung. In der öffentlichen Debatte aber werden die Milliarden, die für die Versorgung der Flüchtlinge nötig sind, mehrfach zur Deckung von politisch fragwürdigen Versprechen ausgegeben, wird damit suggeriert, dass diese Ausländer uns Deutschen diese Mittel wegnehmen, wird den Sozialhilfe-Empfängern unter völliger Unterschlagung der vielfältigen indirekten und Transferleistungen, die sie neben der Sozialhilfe erhalten, vorgerechnet, dass ein Flüchtling mehr wert sei, als sie. So wird Neid geschürt und Hass auf zum einen Politiker, die humanitär arbeiten, und Menschen, die in Not sind. 

Mehr noch: Es wird Besitzangst geschürt. Das reiche Deutschland wird von den Wirtschaftsflüchtlingen bedroht. Freilich: Warum soll es ein so verschiedenes Lebensniveau auf der Welt geben – live erlebbar über die modernen Medien? Haben wir vergessen, wie viele Wirtschaftsflüchtlinge aus Ostdeutschland vor und nach der Wende das Land verlassen haben? Wollen wir unseren Bürgern immer noch einreden, dass unser Lebensstandard das Modell für die Welt sei, ohne die Welt in eine ökologische Katastrophe zu stürzen? Wollen wir immer weiter Lebensstile befeuern, die sich am materiellen Reichtum und Konsum orientieren, ohne damit Glück zu produzieren? Wollen wir nicht endlich wieder über die wirklich wichtigen Werte im Leben reden und etwas dafür tun, statt mit Neid und Hass die Welt zu vergiften?

Die wichtigste Alternative für Deutschland ist das Besinnen auf die wichtigen Werte für ein erfülltes Leben in sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und politischer Verantwortung für sich, seine Nächsten, unsere Gesellschaft und die ganze Welt. Das freilich ist nicht so einfach und dafür auch die obigen Alternativen für die politische Kultur.

Hier noch Überlegungen zum Phänomen AfD:

Beim Nationalismus handelt es sich um die schlechte Ausdünstung von Leuten, die nichts anderes als ihre Herden-Eigenschaften haben, um darauf stolz zu sein.

Friedrich Nietzsche
zitiert nach https://gutezitate.com/zitat/272084 (leider habe ich zu viel auch von Nietzsche gelesen, als dass ich die ausführlichere Stelle gefunden habe – aber vielleicht wird das noch, jetzt fehlt die Zeit.) 

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